Hauptinhalt

Physische Belastungen

Seit Jahren verursachen Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) fast ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland und stellen damit den häufigsten Grund für Arbeitsausfall in Deutschland dar. Neben den direkten volkswirtschaftlichen Kosten durch den Ausfall an Bruttowertschöpfung in Milliardenhöhe kommen Kosten für Versorgung, Rehabilitation, Frühverrentung und Entschädigung hinzu. Eine älter werdende Bevölkerung (demografischer Wandel) und mehr Muskel-Skelett-Erkrankungen mit langer Erkrankungsdauer im Alter tragen nicht zur Verbesserung der Situation bei. Umso wichtiger ist es, Fehlbelastungen zu erkennen und entsprechende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund ist die Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen seit 2012 ein Schwerpunkt der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA).

Was sind physische Belastungen?

Eine physische Belastung umfasst jede Form der körperlichen Belastung bei der Arbeit und in der Freizeit. Der Begriff ist wertfrei.

Physische Belastungen bewirken vorrangig eine Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems, aber auch des Herz-Kreislauf-Systems. Daneben können psychosoziale Belastungen, z.B. Lärm oder fehlende soziale Unterstützung, zur Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems führen.

Unter einer Beanspruchung wird die individuelle Reaktion des Beschäftigten auf die Belastung verstanden. Kurz- und langfristig können Belastungen zu Überbeanspruchungen führen, wodurch sie eine Gesundheitsgefährdung darstellen.

Eine Übersicht der sechs Arten körperlicher Belastung finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber zur Vermeidung von Arbeitsunfällen, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit (§§ 2, 3 ArbSchG). Welche Maßnahmen im konkreten Fall die richtigen sind, ergibt sich aus der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung), für die der Arbeitgeber nach § 5 ArbSchG verantwortlich ist. Eine qualifizierte Beratung des Arbeitgebers durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist hierzu notwendig und im Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) rechtlich geregelt (§§ 3, 6 ASiG).

Eine Konkretisierung der Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG erfolgt durch verschiedene Verordnungen und das zugehörige Technische Regelwerk. Demzufolge wird im § 3 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ausdrücklich geregelt, dass physische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind.

Die Notwendigkeit zur Prävention leitet sich neben der ArbStättV aus einer Vielzahl weiterer Verordnungen ab, dazu gehören insbesondere: Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV), Lastenhandhabungsverordnung (LastenhandhabV), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und Mutterschutzgesetz (MuSchG).

Wie wird die körperliche Belastung ermittelt und beurteilt?

Die Beurteilung der Arbeitstätigkeiten und Umsetzung folgerichtiger Präventionsmaßnahmen ermöglicht, zu hohe körperliche Belastungen und wahrscheinliche Überbeanspruchungen zu vermeiden oder zu minimieren. Für die genannten sechs Arten körperlicher Belastung wurden geeignete praxisnahe Methoden von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) entwickelt, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Ausgangspunkt ist die Annahme, dass bei unterschiedlichen Arten körperlicher Belastung mit zunehmender Belastungshöhe bzw. Intensität und Dauer die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von körperlicher Überbeanspruchung und möglichen Gesundheitsgefährdungen kontinuierlich steigt.

Das Risiko für Gesundheitsgefährdungen durch die genannten sechs Arten körperlicher Belastung wird nicht durch ein einzelnes Merkmal (z. B. das Lastgewicht beim Heben und Tragen) bestimmt. Die Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems und des Herz-Kreislauf-Systems ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Zeitdauer/Häufigkeit, Aktionskraft, Körperhaltungen und den Bedingungen, unter denen die körperlichen Anforderungen ausgeführt werden. Die Faktoren sind in der Regel in ihrer Kombination zu beachten.

Als Maßstab zur Beurteilung körperlicher Belastung bei der Arbeit dient das Risikokonzept, das durch die Arbeitsmedizinische Regel AMR 13.2 konkretisiert wird. Entsprechend dem Anhang der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), Teil 3 Abs. 2 Nr. 4 ist arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten, wenn für eine Reihe von körperlichen Belastungen (Heben und Tragen, Ziehen und Schieben, repetitive manuelle Arbeit, erzwungene Körperhaltungen) eine wesentlich erhöhte Belastung am Arbeitsplatz nachweisbar ist. Werden wesentlich erhöhte körperliche Belastungen festgestellt, sind vorrangig arbeitsplatzbezogene und allgemeine Präventionsmaßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation zu prüfen und einzuleiten. Ergonomisch gut gestaltete Arbeit begrenzt die körperliche Belastung und die Anforderungen auf ein Maß, das Überbeanspruchungen und damit verbundene kurz- und langfristige gesundheitliche Auswirkungen vermeidet.

Gefährdungsbeurteilung

Zur Gefährdungsbeurteilung stehen verschiedene Verfahren mit zunehmendem Komplexitätsgrad zur Verfügung. Das Einstiegs- bzw. Grobscreening mittels Checkliste dient der Orientierung darüber, welche Belastungsarten vorliegen und ob eine wesentlich erhöhte oder hohe körperliche Belastung zu erwarten ist. Ist dies der Fall, wird die Anwendung der belastungsartspezifischen Leitmerkmalmethoden zur weiteren speziellen Beurteilung notwendig (Differenzierung zwischen den Risikobereichen 2, 3 und 4).

Hilfe bei der Gefährdungsbeurteilung anhand von Leitmerkmalmethoden finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Handlungshilfen, Regelwerke, Publikationen

Veröffentlichungen des Länderausschusses für Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz

Arbeitsmedizinische Regeln

  • Arbeitsmedizinische Regel AMR 13.2 »Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System« – Bek. d. BMAS v. 3.11.2021 – IIIb1-36628-15/9 –

DGUV Informationen

  • DGUV-I 208.033 »Muskel-Skelett-Belastungen-erkennen und beurteilen«, Ausgabe: 01/2022
  • DGUV Information 208-053: Mensch und Arbeitsplatz – Physische Belastungen; Ausgabe: 09/2019

(Arbeits-)Wissenschaftliche Erkenntnisse der BAuA

zurück zum Seitenanfang